Gebäude

Von außen nicht als Kirche zu erkennen

Unsere Kirche

Das einzige an die sogenannte „Revolutionsarchitektur“ angelehnte Bauwerk in Lübeck ist die Kirche der evangelisch-reformierten Gemeinde. Das klassizistische Gebäude wurde nach einem von Johann Anton Spetzler überarbeiteten Entwurf des Stadtbaumeisters Heinrich Nikolaus Börm zwischen 1824 und 1826 errichtet. Im Revolutionsjahr 1848 fanden hier die Bürgerschaftssitzungen statt. Thomas Mann hat einer dieser Sitzungen in seinem Roman „Buddenbrooks“ ein literarisches Zeugnis verliehen.

Ursprünglich standen auf dem Grundstück des heutigen Kirchenbaus drei gotische Häuser. Die erhaltenen mittelalterlichen Keller lassen dies vermuten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden diese Häuser zu einem barocken Stadtpalais vereinigt. 1824 erwarb die reformierte Gemeinde das Palais und gestaltete es zu ihrer Kirche um.

Die strenge, aus geometrischen Grundformen entwickelte Putzfassade wird durch einen Mittelrisalit akzentuiert. Eine zweidrittel hohe Quaderung, ein breiter Halbbogen um das Lunettefenster und ein bekrönender Dreiecksgiebel betonen die mittige Portalzone. Ein kräftiges Sandsteingesims teilt die Fassade horizontal. Der schmale Treppenhaustrakt im Süden liegt leicht zurückgesetzt, so dass er die Symmetrie der Hauptfassade nicht stört.

Innenraum

Der Innenraum ist als Halbrund mit Gestühl, Empore und tragenden Säulen errichtet. Es soll an ein antikes Theater erinnern. Kanzel und Abendmahlstisch liegen im Mittelpunkt. Die Raumflucht im Seitenflügel hat die Ausstattung des Rokoko weitgehend bewahrt.

Das Kellergewölbe

Gotische Keller der drei Vorgängerbauten aus dem 13. Jahrhundert mit Kreuzgratgewölben: ein Keller nachträglich mit Tonne eingewölbt. Aus diesem und dem zweischiffigen Gewölbe im Süden gab es Ausgänge zur Straße.

Die Butendach-Bibliothek

Freunde historischer Bücher staunen immer wieder über die Bibliothek der evangelisch-reformierten Gemeinde. Auch vielen Lübeckern ist dieses Kleinod unbekannt. Die Bibliothek hat die Gemeinde einer testamentarischen Verfügung ihres Pastors Otto Friedrich Butendach zu verdanken.

Butendach, von 1762 bis 1798 Prediger der deutschen und französischen reformierten Lübecker Kirchengemeinde, galt als aufgeschlossener Theologe. Er war einer der Gründer der „Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit“, die noch heute als „Gemeinnützige“ viele Aufgaben in der Hansestadt übernimmt. Und er war ein Universalgelehrter mit vielen Interessen.

Woher kommen die vielen Bücher?

Auf den Gebieten von Geschichte, Philosophie und Literatur eignete er sich fundiertes Wissen an. Dazu diente ihm seine rund 6.000 Bände umfassende Privatbibliothek. Das Geld für den Aufbau der Sammlung floss ihm zum einen aus der Gemeinde zu, zum anderen scheint er über ausreichend eigene Mittel verfügt zu haben.

Wie Butendach seine Bücher ausgewählt und erworben hat, kann nur vermutet werden. Im „Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland“ heißt es, dass viele Bücher wohl auf Versteigerungen erstanden worden seien; eine damals wesentliche Quelle für den Bücherumschlag. Seine Bücher habe er nicht nur in Lübecker Antiquariaten erstanden, sondern in ganz Norddeutschland. Mehr als 30 Jahre habe er so seine Bibliothek nach und nach vervollständigt.

Exlibris und Namenszüge

Der Schwerpunkt seiner Buchkäufe habe bei der Aufklärungsliteratur gelegen, so das Handbuch. Er habe sein Augenmerk dabei vor allem auf geisteswissenschaftliche Primär- und Sekundärliteratur gerichtet, während er naturwissenschaftliche Schriften eher vernachlässigte. In vielen Büchern findet sich sein Exlibris, gelegentlich auch sein Namenszug. Hin und wieder sind auch Exlibris und Namen von Vorbesitzern zu sehen.

Ausgelagert, vermisst, verloren

Im 2. Weltkrieg wurde ein Drittel der Privatbibliothek zur Sicherheit in einen Bergwerkstollen nach Mitteldeutschland gebracht. Als „Beutekunst“ kamen sie nach dem Krieg in die Sowjetunion. Aus Georgien kamen bisher etwa 500 Bücher der Butendach-Bibliothek zurück. Heute sind laut Bestände-Handbuch noch 2.869 Titel vorhanden. Als vermisst müssen besonders wertvolle Werkausgaben antiker Autoren, Reisebeschreibungen und historische Literatur gelten. Die dennoch herausragende Bibliothek wird heute von der Lübecker Evangelisch-reformierten Gemeinde verwahrt.

Literatur zur Butendach-Bibliothek

Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner. Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.

Alken Bruns: Butendach. In: Hans F. Rothert (Hrsg.): Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Band 8. Wachholtz, Neumünster 1987, S. 51/52.

Jörg Fligge, Rolf Schweitzer: Aus Georgien zurück. In: Bibliotheksdienst. 31, 1997, S. 1484–1500.

Barbara Tiemann: Die Butendach-Bibliothek in der Reformierten Kirche zu Lübeck. Der Sammler und seine Sammlung. In: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. 65, 1985, S. 143–221 m.w.N.

Katalog:

Katalog der Butendach-Bibliothek der Ev[angelisch]-Reformierten Gemeinde Lübeck. Erstellt von Barbara Tiemann und Annelen Ottermann unter Mitwirkung anderer. Mit einer Einführung von Annelen Ottermann. 4 Bände, Hamburg: Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften 1984